Das Fluestern der Seelen by Victoria Álvarez

Das Fluestern der Seelen by Victoria Álvarez

Autor:Victoria Álvarez [Álvarez, Victoria]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Paranormal
ISBN: 3404168852
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2014-03-12T23:00:00+00:00


Kapitel 14

Sie hatten keine Verlobungszeit gehabt, dafür waren die Flitterwochen umso länger, um nicht zu sagen: ewig lang. Annabel konnte sich keine angenehmere Rekonvaleszenz vorstellen. Sie musste zwar mehrere Tage lang das Bett hüten, und der Kopf und die Brust taten ihr weh, aber nur, solange sie wach war. Ihr Leben war wie ein Kompass, dem jemand eine neue Nadel eingesetzt hatte. Und dieser jemand wachte Tag und Nacht an ihrer Seite. Annabel störte sich nicht daran, dass sie über ihrem Nachthemd zwei Morgenmäntel – ihren und den von Ada – tragen und sich in drei Decken hüllen musste, damit Victor die ganze Zeit bei ihr liegen konnte. Er nahm ihre Genesung so ernst, dass er praktisch zu ihrem Schatten geworden war.

In den folgenden Wochen durfte sie keine spiritistischen Sitzungen abhalten. Über Ada ließ man mitteilen, dass Miss Lovelace sich aufgrund physischer und psychischer Erschöpfung eine Auszeit nehme. Seither waren Unmengen von Briefen und Blumensträußen eingetroffen, stapelten sich auf der Kommode im Flur die beiliegenden Genesungskärtchen. Die Herzogin von Harley war die Erste gewesen, die sich mit Annabel in Verbindung gesetzt hatte. Sie hatte ihr einen Korb von Fortnum & Mason geschickt, prall gefüllt mit Süßigkeiten in buntem Bonbonpapier: Cognac-Pralinés, Whiskysahnebonbons, Pralinen aus dunkler Schokolade und Minze; Säckchen mit kandierten Trauben, die mit großen Schleifen verziert waren, Ingwertörtchen, Kirschtörtchen, Aprikosentörtchen … Köstlichkeiten aller Art. Annabel musste sie allerdings Ada überlassen, denn Victor hatte sie auf strenge Diät gesetzt und erlaubte keine Ausnahme. Auf seine Anweisungen hin war jegliche Sünde, jedenfalls kulinarischer Art, aus der Albemarle Street verbannt.

Heather kochte in der Zeit leichtere Gerichte als sonst, was ihr, nebenbei gesagt, gar nicht passte. Sie empfand es als persönliche Beleidigung, dass Lord Rosenfield ihr nicht zutraute, für die Genesung ihrer Nichte zu sorgen. Trotzdem musste selbst die skeptische Heather anerkennen, dass Victor wusste, was er tat: Nach fünf Tagen hatte sich Annabel so weit erholt, dass sie aufstehen konnte, und nach einer Woche hatten ihre Wangen wieder Farbe angenommen. Sogar Doktor Feldman, der sie zweimal am Tag besuchte, war erstaunt über die wundersamste Genesung, die er in seinem Berufsleben je gesehen hatte. Als besonders heilungsfördernd erwies sich, dass Victor »aus rein professionellen Gründen« nachts, wenn er sich im Mondlicht in ihre Träume schlich, gewisse Körperregionen gründlich untersuchte. Er streichelte sie mit Händen, die ihr körperlicher denn je erschienen, veschränkte seine Finger in den ihren. Die Lust, die er in ihr weckte, machte sie besinnungslos, löste alles um sie herum auf. Dann existierte nur noch dieser Körper, der die heiligen Gesetze des Jenseits brach, um bei ihr sein zu können, dann existierten nur noch diese Lippen, in denen sie sich am liebsten für immer verloren hätte, dann wollte sie nie mehr in die Dimension der Lebenden zurückkehren, aus Furcht, sich dort an seine Zärtlichkeiten nicht mehr zu erinnern.

In diesen nächtlichen Stunden jedoch war Annabel trunken vor Glück und Lust. Und wenn sie morgens aufwachte, sang sie aus voller Kehle und ließ sich auch dann nicht stören, wenn Ada sie schüchtern bat, noch ein



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